Für vier Wochen durfte ich den Alltag in der Buchbinderei begleiten und in die verschiedenen Tätigkeiten des Handwerks hineinschnuppern.
Buchbinderei: Was macht man da überhaupt?
Eine konkrete Vorstellung hatte ich nicht, ich weiß nicht mehr über das Buchbinderhandwerk als andere Otto-Normal-Verbraucher. Aber genau das hat für mich auch den Reiz ausgemacht. Ich wollte bewusst ein Praktikum in einem Bereich machen, über den ich noch nicht viel weiß und der vor allem handwerklich, aber auch kreativ ist.
Meine erste Aufgabe: Schachteln basteln.
Das klingt erst mal unspektakulär, hat aber sehr viel Spaß gemacht und mir gezeigt, worauf es ankommt – Präzision! Außerdem war es eine gute erste Aufgabe, um mich mit dem Arbeitsmaterial vertraut zu machen. Die große Papierschere (auch Hebelschneider genannt), Leim und Pinsel, Bezugsmaterial, Falzbein und natürlich der Arbeitsablauf.
Zu erst werden die Pappen millimetergenau zugeschnitten und anschließend perfekt zusammengesetzt. Jeder Fehler macht sich später bemerkbar und führt zu schiefen oder unebenen Schachteln. Es darf nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Leim verwendet werden und dieser muss nach dem zusammensetzen ordentlich verstrichen werden, sodass nach dem Beziehen keine Unebenheiten entstehen. Ist der Leim getrocknet, werden die Boxen geschliffen und somit die Oberflächen geglättet. Hätte ich diesen Schritt weggelassen, hätte man nach dem Bezug noch sehen können, wo die Pappen aneinandergesetzt wurden. Durch das schleifen verhindere ich das.
Im nächsten Schritt wird das Bezugspapier zugeschnitten. Das Papier soll einmal rund um die Schachtel gehen und sowohl für innen als auch außen reichen. Dabei muss auch die Materialdicke und etwas Überstand mit einbezogen werden. Die Maße am Papier markieren und ab zur großen Schlagschere (im Bild mit DIN A4 Blatt zum Größenvergleich).
Wird Papier feucht, fängt es an sich zu wellen oder sogar zu rollen. Das ist auch beim Bezugspapier so, daher wird nach dem Einleimen kurz gewartet, bis sich das Papier wieder „entspannt“. Auch hier kommt es auf die richtige Menge an Leim an. Zu viel Leim lässt das Papier zu feucht werden und es kann beim beziehen reißen. Außerdem können Unebenheiten entstehen oder der Leim quillt an den Kanten wieder hinaus und hinterlässt Klebespuren. Hier gibt es natürlich noch viel mehr zu beachten, aber das würde wirklich den Rahmen sprengen. Wie man sieht, hatte ich das mit dem Kleben und Zuschneiden nicht sofort raus, das erforderte etwas Übung.
Erfahrungswert – der Unterschied zwischen Laie und Profi
Die eigentliche Herausforderung bei den Schachteln war jedoch der Deckel. Dieser muss passgenau sitzen, darf also weder zu leicht noch zu schwer von der Schachtel abgehen. Natürlich gibt es hier eine Art Faustregel: die Maße der Schachtel + 3mm + Luft. Wie viel für Luft berechnet werden muss? Das ist abhängig vom Bezugsmaterial und auch dann lässt es sich nicht pauschal sagen, es sei ein „Erfahrungswert“. Ich habe also mehrere Deckel gebastelt, bis endlich einer gepasst hat. Der erste war zu groß, der zweite zu klein, beim dritten habe ich mich vermessen und dann endlich hatte ich einen Deckel, der – für mein Empfinden – gut saß.
Insgesamt habe ich fünf Schachteln hergestellt, die ersten zwei waren meine „Proben“. Hier habe ich die Arbeitsschritte zum ersten mal gemacht und meist auch einige Fehler eingebaut. Von der ersten bis zur fünften Schachtel hatte ich also Zeit, meine Arbeitsschritte zu perfektionieren. Und mit der letzten Box bin ich tatsächlich auch sehr zufrieden.
Vielfältig und kreativ
Im Laufe der Wochen durfte ich dann noch Buchdeckel und Mappen herstellen. Das Wissen, das ich mir mit dem Herstellen der Schachteln angeeignet hatte, konnte ich hier weiter vertiefen. Die Mappen sind – finde ich – auch schon sehr schön geworden und die richtige Kombination aus Farbpapier, Bibliotheksleinen und Schrauben zu finden, hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Außerdem habe ich mir angeschaut, wie Bücher hergestellt werden. Vom Leimen, zum anbringen von Hülsen und Kapitalbändern, Prägungen der Buchdeckel und dem zusammenfügen von Buch und -deckel. Und dazwischen – manchmal auch noch vorm Leimen – wird immer wieder gepresst.
Von Schätzen und Geschichten
Manchmal werden auch kleine Schätze in die Buchbinderei gebracht, z.B. Erbstücke, Familienchroniken oder ein selbst geschriebenes Buch. Es sind nicht „nur“ Bücher, sondern Stücke mit hohem emotionalen Wert, die für die Kunden nicht mit Geld aufzuwiegen sind. Und das macht diesen Beruf auch so besonders: hinter jedem Auftrag steckt eine Geschichte,welche hier in der Werkstatt bewahrt und mit Sorgfalt behandelt wird.
Beim Abholen werden die Bücher von den Kunden andächtig betrachtet, jedes Detail begutachtet und am Ende macht sich die Freude über dieses einzigartige Stück in den Gesichtern bemerkbar. Ein sanftes Lächeln und strahlende Augen. Das schönst Feedback, das man für seine Arbeit bekommen kann.